Die Frage, ob man zum Garen von Pasta einen Deckel verwenden soll oder nicht, führt häufig zu Diskussionen. Oft handelt es sich um Erfahrungswerte oder Meinungen, doch selten wird die geäußerte Auffassung auch korrekt begründet. Betrachtet man eine einzelne Nudel, so ist zuerst einmal wichtig, zu wissen, woraus sie besteht. Grundsubstanz ist ein Teig, meist aus gemahlenem Getreide. Dazu kommen je nach Nudelsorte Salz, etwas Wasser, manchmal Eier und andere Zutaten.
Wichtig zum Verständnis des Kochens ist vor allem Stärke. Sie stammt aus Getreide, der anteilig größten Zutat des Teiges des Nudel. Als sogenanntes Polysaccharid besteht Stärke mikroskopisch aus sehr vielen komplex miteinander verknüpften Einfachzuckern. Diese haben die Eigenschaft, Wasser zu binden, tun dies aber zunächst an der äußeren Oberfläche.
Vorstellbar wird dies am Modell eines geflochtenen Zopfes. Mit Wasser benetzt, wird er zunächst nur ganz außen feucht. Je länger und man ihm der Feuchtigkeit aussetzt, umso tiefer geht die Durchfeuchtung. Ähnliches passiert mit der Stärke einer Nudel beim Kochen.
Kochen verändert die Konsistenz, also den Feinbau von Lebensmitteln. Zum einen geschieht dies durch Zufuhr von Wärme, zum anderen durch die Aufnahme des umgebenden Mediums über die Oberfläche. Für eine Nudel heißt das, sie nimmt in ihr Stärkegerüst eine gewisse Menge Wasser auf und wird dadurch weicher. Wie viel und wie schnell Wasser eindringt, entscheidet über die Qualität des verzehrfertigen Produktes – hier der perfekten Nudel. Ziel ist eine möglichst gleichmäßig durchgegarte Pasta, die weder zu matschig noch zu roh ist. Das Ergebnis hängt von Bestandteilen, Form und Durchmesser der Nudel ab. Und auch die Wassertemperatur spielt eine wichtige Rolle.
Um beim Vergleich mit dem Zopf zu bleiben, entspricht eine optimal gekochte Nudel gleichmäßig feuchtem, aber nicht nassem Haar. Dafür darf das Wasser nicht einschwämmen, sondern soll zügig einziehen – ohne jedoch innere Bereiche auszusparen.
Nudel ins kochende Wasser? Oder doch am Anfang?
Im Topf bringt man Wasser zum Sieden, indem Wärmeenergie zugeführt und dadurch die Wassermoleküle zu Schwingungen anregt werden. Das Sieden beginnt, sobald die Schwingungen stärker werden als die Bindungen, die die einzelnen Wasserteilchen zusammenhalten. So entstehen die typischen aufsteigenden Blasen. Mit Deckel kocht Wasser bekanntlich schneller. Der heiße Wasserdampf kann hier nicht abziehen und erhitzt die Wasseroberfläche zusätzlich von oben. Das Wasser verdampft also schon, wenn untere Schichten noch kühler sind. Bei sprudelnd kochendem Wasser ist das Verteilungsmuster einheitlich: Kochend steigt es vom Topfboden auf und durchwälzt gleichzeitig den Rest. Das heißere Wasser gart die einzelne Nudel optimal: Die Stärke quillt zügig von außen her auf, gleichmäßig bis in die inneren Schichten.
Zu kühles, nicht siedendes Wasser schafft das nicht. Die Wassermoleküle haben nicht genug Schwingung; sie bleiben untereinander stärker verbunden. So quellen die Schichten der äußeren Stärkeketten zu sehr auf, die inneren hingegen gar nicht. Die fertige Nudel ist im Querschnitt außen schon breiig und innen noch hart. Ihre Farbe wird außerdem heller. Die sprudelnd gekochte Nudel hingegen weist nicht so große Konsistenzunterschiede auf und wirkt optisch appetitlicher.
Schlussendlich lässt sich wohl wie überall über persönliche Vorlieben und Gewohnheiten streiten. Aber wer auf physikalisch gleichmäßig durchgegarte Pasta Wert legt, sollte diese wohl ohne Deckel zubereiten.